Von Thomas Beier. An Krediten scheinen sich die Geister zu scheiden: Während die einen den allergrößten Wert darauf legen, absolut “schuldenfrei” zu sein, meinen andere, es sei clever, stets irgendeinen Kredit in Anspruch zu nehmen. Wie soll man nun umgehen mit den Kreditangeboten, die von Banken und Kreditvermittlern immer wieder in den Briefkasten flattern oder in der Werbung auftauchen?
Der große Unterschied:
Kredit für ein Unternehmen oder für private Zwecke?
Im Beitrag werden einige Aspekte, von denen sich Unternehmen und Verbraucher bei einer ins Auge gefassten Kreditaufnahme leiten lassen sollten, vorgestellt.
Bei mittel- und langfristigen Krediten kommt dem Zins, der dem Verbraucher gegenüber stets als effektiver Jahreszins auszuweisen ist, besondere Bedeutung zu. Verzinst werden muss immer das nicht nicht zurückgezahlte Geld. Wer also ein tilgungsfreies Jahr vereinbart, muss in dieser Zeit den vollen Kreditbetrag verzinsen. Auch wenn die Zinsen aktuell günstig erscheinen ist jedem, der einen Kredit aufnehmen will, zu raten, anhand seines Tilgungsplanes seine aufzubringenden Zinsen nachzurechnen und aufzusummieren: Neben eventuellen tilgungsfreien Zeiten ist die Kreditlaufzeit entscheidend: Auch ein günstig erscheinender Zinssatz kann über die Jahre zu einer beträchtlichen Geldsumme führen.
Anders verhält es sich bei kurzfristigen Darlehen, beispielsweise, wenn man den Dispo seines Girokontos nutzt. Hier liegen die Zinsen oft um die zehn Prozent oder höher – pro Jahr, versteht sich. Deshalb ist der Dispo im Grunde dazu da, einen kurzfristigen Engpass zu überbrücken oder vielleicht die Gelegenheit für eine größere Anschaffung sofort nutzen zu können, dann aber auf jeden Fall das Konto zeitnah wieder auszugleichen. Wer den Dispo aber regelmäßig für die Situation “Geld alle, aber noch Monat übrig” nutzt, verschiebt sein Liquiditätsproblem immer wieder in die Zukunft und verschlimmert es, weil jetzt auch noch Zinsen zu zahlen sind. Unbedingt vermieden werden sollte aber das ständige “Eintauchen” in den Dispo oder gar das ständige sich am Limit bewegen, denn das setzt einen Teufelskreislauf in Bewegung: oft im Minus sein verursacht erhebliche Zusatzkosten mit der Folge noch schlechterer Liquidität.
Woran sollten sich Verbraucher orientieren?
Während ein Unternehmer mit Hilfe eines Kredits unterm Strich mehr Gewinn erzielen kann, führt eine Kreditaufnahme bei einem Verbraucher dazu, dass er finanzielle Belastungen in die Zukunft delegiert und sich das mit Zinszahlungen erkauft – ohne dadurch sein Einkommen als Arbeitnehmer zu steigern.
Deshalb sollten von Verbrauchern nur Anschaffungen finanziert werden, die
- die langfristigen Charakter haben, also beispielsweise eine Immobilie, ein Auto oder auch die neue Heizungsanlage, und die nicht cash, also sofort in bar bezahlt werden können oder alle Reserven verbrauchen würden,
- wirklich wichtig und unaufschiebbar sind und ebenfalls nicht anders bezahlt werden können, deren sich ergebende Belastung aber “stemmbar” ist oder sogar durch Folgeeinsparungen beispielsweise bei der Miete oder den Heizkosten geringer wird.
Außerdem kann es sinnvoll sein, bestehende, belastende Kreditverpflichtungen mit der Streckung der Tilgungszeit und/oder einem günstigeren Zins abzumildern – vorausgesetzt, der Kreditgeber spielt mit und verlangt keine Vorfälligkeitsentschädigung. Praktisch ist am ehesten denkbar, einen teuren Dispokredit, dessen Rückzahlung auf absehbare Zeit nicht aufgebracht werden kann, mit Hilfe eines günstigeren Darlehens auszugleichen.
Grundsätzlich kritisch zu sehen sind hingegen beispielsweise
- die Kreditfinanzierung von Urlaubsreisen, weil: irgendwann ist der schönste Urlaub längst vorbei, muss aber vielleicht noch immer abgezahlt werden,
- die Kreditfinanzierung von Geldanlagen oder Wertpapieren,
- jeglicher Kredit, dessen Belastungen nicht zu den persönlichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen passt.
Die Bundesregierung hat erst im Mai 2017 in Bezug auf Kredite den Verbraucherschutz weiter verbessert. Neben Informationspflichten der Kreditanbieter betrifft das die Prüfung der Kreditwürdigkeit, Widerrufsrechte und den Schutz vor hohen Dispozinsen.
Mögliche Vorgehensweise
Wer sich für einen Kredit interessiert sollte wissen, dass jede Kreditanfrage die eigene Bonität beeinflusst – und zwar durchaus negativ: Wer häufig nach Krediten fragt, auch ohne diese in Anspruch zu nehmen, bekommt womöglich schlechtere Konditionen oder gar keinen Kredit. Deshalb ist es sinnvoll, sich lediglich nach Kreditkonditionen zu erkundigen. Dazu bieten im Internet diverse Vergleichsportale die Möglichkeit, kostenlos und unverbindlich Informationen über Kreditangebote zu erhalten.
Welcher Weg genutzt wird, bleibt letztlich jedem Kreditinteressenten selbst überlassen. Fakt ist: Je besser ein Kreditnehmer informiert ist, um so bewusster kann er Entscheidungen zu eigenen Gunsten erarbeiten und treffen. Zinssätze zu vergleichen, ist wichtig, doch auch das Kleingedruckte will beachtet sein.
Aber wie ist das nun mit den eingangs erwähnten, Privatpersonen betreffenden unterschiedlichen Meinungen von “schuldenfrei sein” oder immer wieder einen Kredit zu nehmen? Im Grunde ist die Antwort einfach: Je geringer das Einkommen, um so wertvoller ist die Schuldenfreiheit (wobei allerdings meist die Freiheit vom Kapitaldienst gemeint ist – richtige Schulden entstehen erst, wenn man seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann; von Überschuldung hingegen spricht man, wenn der Wert der Verbindlichkeiten den des verwertbaren Vermögens übersteigt). Je höher das Einkommen jedoch ist, um so eher können
- Belastungen getragen und mit Hilfe eines Kredits zeitlich gestreckt werden, was finanzielle Handlungsoptionen bewahrt,
- steuerliche Aspekte eine Rolle spielen, ebenso eine mögliche Ko-Finanzierung aus Fördermitteln. Dann kann es sinnvoll sein, mit Hilfe eines Kredits Belastungen und Zuschüsse zu optimieren.
Bei Fragen rund um die steuerlichen Auswirkungen von Investitionen und Finanzierungen sollte gegebenenfalls ein nach dem Steuerberatungsgesetz zugelässiger Berater hinzugezogen werden.