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Nach der Pandemie

Gesprächsrunden im Dorf bleiben wichtig

Zum Fleiß als bürgerlicher Tugend gehören stets auch Ziele
Zum Fleiß als bürgerlicher Tugend gehören stets auch Ziele

“Ohne Fleiß kein Preis” ist – wenn auch orthografisch fragwürdig – über einem Hauseingang im nahen Bernstadt a.d. Eigen zu lesen. Zweifelsohne ist das richtig, allerdings ist Fleiß allein bei weitem keine Garantie für Erfolg, ob nun im Beruf oder im Leben ganz allgemein.

Die anhaltende Corona-Pandemie zwingt auch in Markersdorf so manchen Unternehmer wie Arbeitnehmer dazu, sich über beruflichen Erfolg Gedanken zu machen. Im Moment ist kaum vorauszusagen, wie lange die Pandemie und die Gegenmaßnahmen das, was man das normale Leben nennt, noch im Griff behalten werden – und über das Leben und die wirtschaftlichen Verhältnisse “danach” kann nur spekuliert werden. Wirken wie so oft recht schnell die Selbstheilungskräfte des Marktes und alles wird wie vor der Pandemie sein oder wird die Corona-Zeit das Zusammenleben im Dorf und die Arbeits- wie auch die Lernwelt und die Art, wie Kultur erlebt wird, für immer verändern?

Viele fühlen sich mit ihren Überlegungen und Zweifeln alleingelassen, andere orientieren sich an “alternativen Medien” und meinen, eine Sache werde wahr, wenn sie nur intensiv genug behauptet wird und ihr viele zustimmen. Nein, krude Verschwörungstheorien und falsche Behauptungen werden durch gegenseitige Bestätigung nicht wahr, können aber zu materieller Gewalt führen, wenn sich Menschen dadurch manipulieren lassen. Geschichte und Gegenwart – Stichwort Trump – liefern immer wieder Beispiele dafür.

Über Orientierung und Gemeinschaft

Trotz aller Ungewissheiten, die es auch ohne die Kakophonie der falschen Behauptungen gibt, ist für alle, die nicht nur abwarten wollen, Orientierung nötig. Dazu einige Gedanken. Eine wichtiger Einflussfaktor auf der Suche nach Orientierung ist der Glaube: Woran man glaubt, das beeinflusst Überlegungen und Verhalten ganz grundlegend und ist schwer zu verändern. Deshalb sollte man Klarheit haben über seine ganz persönlichen Glaubenssätze. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Erfahrung. Deren Wirkung ist meist befristet, wie auch Günter Kunert (1929 – 2019) in seinem Gedicht “Über einige Davongekommene” festhält: “Als der Mensch unter den Trümmern seines bombardierten Hauses hervorgezogen wurde, schüttelte er sich und sagte: Nie wieder. Jedenfalls nicht gleich.” Ähnliche befristete Wirkungen zeigen sich, um ein alltägliches Beispiel zu nennen, beim Raser, der geblitzt wurde und sich nun für ein paar Kilometer ans Tempolimit hält. Schwächster Einflussfaktor ist übrigens das Wissen, wohl nahezu jeder Mensch handelt immer wieder gegen besseres Wissen, sonst gäbe es keine Raucher, Streithähne oder etwa Corona-Leugner.

Orientierung heißt für viele vor allem Erfolgsorientierung, wer möchte sich schon an Misserfolgen orientieren? Erfolg ist immer das Maß, in dem man seine Ziele erreicht. Hat man sich große, herausfordernde Ziele gesteckt und erreicht diese, so hat man großen Erfolg. Im Gegenzug: Hat man keine Ziele, kann man auch keinen Erfolg. Ergo: Um Erfolg zu haben, dieses motivierende Erlebnis, braucht man Ziele, die nicht nur mit einem Termin und einem Kriterium, bei dessen Erfüllung man sie erreicht hat, versehen sein müssen, sondern auch herausfordernd sind. Anders gesagt: Was man “mit Links und 40 Fieber” erreichen kann, hat nicht viel Wert.

Hat man sich Ziele gesteckt, braucht man auch eine Strategie, mit der man diese erreichen kann. Über ihre Strategie hören sich viele gern reden – nur reden sie dabei meist über anderes als Strategie im Sinne der Ökonomisierung des Kräfteeinsatzes zum Zwecke der Zielerreichung. Im Osten nannte man das früher – stark vereinfacht und ganz anders als die heutige Definition – die Minimax-Methode: Minimaler Aufwand, maximaler Nutzen. In den heutigen schnelllebigen Zeiten kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Man muss erkennen, wann es an der Zeit ist, seine Ziele oder auch seine Zielerreichungs-Strategie zu ändern. Alles muss immer wieder auf den Prüfstand – und das macht es nicht einfacher.

Besonders schwierig wird es,wenn an in Abstimmung mit anderen Leuten, also in einer Organisation, arbeitet. Organisation will im weitesten Sinne verstanden sein, etwa als Unternehmen, als Verein, aber auch als Familie oder die Gemeinschaft aller Bewohner eines Dorfes. In der Wirtschaft tappen viele Unternehmensführer in die Falle und halten es für selbstverständlich, dass ihre Beschäftigten ihre Ziele bzw. die des Unternehmens verfolgen. Das erweist sich immer wieder als ein großer Irrtum, denn kaum jemand verfolgt die Ziele anderer – die allermeisten Menschen verfolgen nun einmal ihre ureigensten Ziele. Die können sicherlich gut zu den Unternehmenszielen passen, jedoch öfter als man glauben sollte haben sich Mitarbeiter um Diskussionen aus dem Wege zu gehen daran gewöhnt, im Unternehmen das zu sagen, was erwartet wird. Wer als Vorgesetzter solche Lippenbekenntnisse als bare Münze nimmt, kann sich nicht unbedingt aus Mitdenken und Einsatzbereitschaft verlassen.

Wird die Organisationsentwicklung für längere Zeit dem Selbstlauf überlassen, geraten Organisationen über kurz oder lang in Gefahr, nicht mehr überlebensfähig zu sein. In der Wirtschaft gehen dann scheinbar kerngesunde Unternehmen binnen kurzer Zeit in Insolvenz, berühmte Konzernpleiten liefern Beispiele dafür.

Hintergrund ist oft das nicht beachtete Zusammenspiel von harten Fakten und weichen Faktoren. Zu viele Unternehmen achten allein auf Fakten wie Umsatz, Marktanteil, Gewinn, Auslastung und Qualifizierungsstand der Mitarbeiter. Sie übersehen dabei die weichen Faktoren: Ob die Beschäftigten zunehmend Dienst nach Vorschrift machen oder sich latent nach einem anderen Job umsehen, ob sich Verbraucherverhalten ändert, ein Technologiewechsel abzeichnet oder unter den Kunden eine neue Generation da Ruder übernimmt, die anstelle eingespielter Geschäftsbeziehungen neue Prioritäten setzt. Oft ist es so, dass sich Investitionen in die weichen Faktoren in den harten Fakten auszahlen; wer aber nur allein in die harten Fakten investiert, kann seine Investition schnell in den Sand setzen.

Immer gilt: Wo sich Rahmenbedingungen ändern – und sie ändern sich ständig, mal schleichend, mal abrupt wie im coronabedingten Lockdown – muss sich die Organisation anpassen. Das betrifft ihre “harten” Parameter wie etwa die Organisationsstruktur ebenso wie die weichen, zu denen die Bereitschaft gehört, unter veränderten Bedingungen andere Aufgaben zu übernehmen und motiviert neue Ziele zu verfolgen. Das sind Herausforderungen, wie sie beispielsweise ein Unternehmen aus eigener Kraft nicht leisten kann. Jeder erfahrene Geschäftsführer weiß, dass die Bekanntgabe tiefgreifender Veränderungen gewöhnlich nicht auf Gegenliebe stößt, sondern eher mit einem innerlichen “was die sich wieder ausgedacht haben” und “sollen sie doch machen” beantwortet wird. Deshalb werden in solchen Situationen häufig externe Berater beauftragt, die im Zuge einer Organisationsberatung gemeinsam mit Führungskräften und Mitarbeitern erarbeiten, was unter den neuen Rahmenbedingungen zu tun ist. Es scheint paradox: Auch wenn die Geschäftsleitung längst weiß, woher der Wind jetzt weht und wie die Segel zu setzen sind, nutzt die Vorgabe wenig – die Beschäftigten müssen selbst darauf kommen, dass der neue Kurs der beste Weg ist, damit sie dahinterstehen und sich dafür engagieren.

Dieses sich gemeinsam verständigen über neue Herausforderungen und Ziele und darüber, wie man diese angehen will, ist essentiell für die eingangs erwähnte nötige Orientierung. Im Betrieb kann das mit Workshops erfolgen, eine Methode, die auch für Vereine und andere Organisationen produktiv ist. Im einfachsten Fall geht es dabei um strukturierte Gesprächsrunden, bei denen wichtige Gedanken und offene Fragen für alle sichtbar festgehalten werden.

Im Gespräch bleiben

Moderierte Diskussionsrunden wie der Jauernicker See-Schoppen vom Mai 2019 oder der Denkzeit-Meinungsaustausch in Markersdorf von Ende September 2020 sind als gegenseitige Verständigung im Dorf ebenfalls wertvoll. Sie geben vielen Orientierung und tragen zur Identität des Gemeinwesens bei, indem immer wieder verdeutlicht wird, wo die Wurzeln liegen, was erreicht worden ist, welche Bedürfnisse und Probleme es gibt, was die nächsten Herausforderungen und Ziele sind und welche Visionen für die Zukunft bestehen. Gerade die Corona-Zeit mit ihren vielen Fragen und Zweifeln lehrt, dass der Faden des Gedankenaustauschs mit Hilfe solcher Runden nicht mehr abreißen sollte.

Thomas Beier

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