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Digitalisierung stützt Strukturwandel

Wie »Corona« die Transformation unserer Arbeitswelt vorantreiben kann

Nicht jeder wird von zu Hause aus arbeiten können, dennoch können auch in solchen Fällen vorbereitende und koordinierende Tätigkeiten oftmals dorthin verlagert werden
Nicht jeder wird von zu Hause aus arbeiten können, dennoch können auch in solchen Fällen vorbereitende und koordinierende Tätigkeiten oftmals dorthin verlagert werden

Symbolfoto: AndGra, Pixabay License

Das Coronavirus bestimmt gegenwärtig die Schlagzeilen nahezu aller Medien. Der Covid-19-Erreger grassiert weltweit und ein Höhepunkt scheint in den allermeisten Ländern noch immer nicht erreicht. Dabei wird zumeist ein eher düsteres Zukunftsbild gezeichnet: Die Wirtschaft stehe kurz vor einer Rezession, das öffentliche Leben könne kollabieren – die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft seien kurzum verheerend, so heißt es.

Da ist es an der Zeit, den Ereignissen, gleichwohl in voller Anerkennung der Ernsthaftigkeit der Lage, etwas Positives abzugewinnen. Denn das Coronavirus kann möglicherweise sogar zur Transformation unserer Arbeitswelt sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens insgesamt beitragen – auch in Markersdorf.

Die Arbeit der Zukunft: Nicht auf Präsenz, sondern auf das Ergebnis setzen

Viele kennen das ohnehin bereits: Man begibt sich jeden Morgen zum Arbeitsplatz beim Arbeitgeber und fragt sich, warum man eigentlich unbedingt jeden Tag – oft zu konstanten Zeiten – dort verbringen muss, obwohl man seine Arbeit ohne weiteres auch an jedem anderen Ort der Welt und vielleicht sogar in kürzerer Zeit verrichten könnte. Hintergrund: Die Arbeitswelt transformiert sich zunehmend hin zu entkörperlichter und abstrakter Arbeit, die als einzige Produktionsmittel neben der menschlichen Arbeitskraft nunmehr kaum mehr als einen Rechner und einen Internetzugang voraussetzt. Wenn dies aber so ist, dann wird es auch immer erklärungsbedürftiger, warum man die Menschen nicht einfach von dort aus arbeiten lässt, von wo aus es ihnen am ehesten zusagt.

In vielen Unternehmen hat sich diesbezüglich in den vergangenen rund 30 Jahren sicherlich schon einiges getan: Flexible Arbeitszeiten, Home Office und mehr Projektarbeit sind eingeführt worden und haben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – trotz aller damit verbundenen negativen Effekte (Stichwort: »Subjektivierung von Arbeit«) – deutlich mehr Freiräume verschafft. Grundsätzlich jedoch hat sich an dem Normalmodell der Arbeitsplatzpräsenz bisher recht wenig geändert. Es ist nach wie vor üblich, die Arbeit am Arbeitsplatz zu verrichten. Soziologische Studien – unter anderem von Stephan Voswinkel – haben gezeigt, dass der »Präsentismus« – das heißt, der zwanghafte Drang, immer auf Arbeit sein zu müssen, auch wenn man mal krank ist – stark ausgeprägt ist und dass viele Beschäftigte immer noch auf Anerkennung qua Anwesenheit setzen. Damit korrespondiert grundsätzlich die Beobachtung, dass viele Arbeitende häufig mit der Länge ihrer Arbeitszeiten prahlen. Ob die ach so langen Arbeitszeiten allerdings tatsächlich auch notwendig waren, damit das jeweilige Arbeitsergebnis erreicht werden konnte, wird dabei nicht reflektiert; die Arbeitszeit wird zum Selbstzweck.

Dabei ist es doch so, dass immer mehr Menschen heute im IT-Sektor bzw. in hoch digitalisierten Branchen arbeiten. Und wer in einer IT Personalberatung beschäftigt ist, weiß, dass es nicht sonderlich schwer ist, entsprechend qualifizierte Fachkräfte schnell zu vermitteln. Damit verbunden stellt sich also die Frage, ob es nicht an der Zeit ist, das Normalmodell der Arbeitsplatzpräsenz aufzugeben. Das Coronavirus könnte hierbei eine Chance sein, die alten Strukturen aufzubrechen und zu einer Transformation der Arbeitswelt hin zu mehr Flexibilität in Sachen Arbeitsplatz und Arbeitszeit beizutragen.

Mehr Home Office, weniger »Bullshit Jobs«

Die Großgemeinde Markersdorf ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Zeit für eine Transformation der Arbeitswelt im oben genannten Sinne reif ist. Seit 1994 hat sich die Einwohnerzahl von Markersdorf nämlich kaum verändert. Waren es damals noch 3663 Einwohner, so hat sich die Anzahl nach einem deutlichen Anstieg mittlerweile um die 4.000 Einwohner eingependelt. Von ihnen arbeitet ein größerer Anteil als früher in der Dienstleistungsbranche auf Arbeitsplätzen, an denen sie fast ausschließlich am Rechner sitzen oder vor allem telefonieren. Oftmals ist die ständige Präsenz beim Arbeitgeber gar nicht nötig und könnte beispielsweise auf einen Wochentag reduziert werden. Statt zwischen Wohn- und Arbeitsort zu pendeln, was für viele enorme tägliche Fahrstrecken bedeutet, könnten sie genauso gut auch einfach von zu Hause aus arbeiten, sofern ihre jeweils konkrete Arbeitstätigkeit und die Rahmenbedingungen zu Hause dies tatsächlich zulassen.

Das Corona-Virus könnte eine Transformation in diese Richtung – ebenso wie Veränderungen in den Branchen generell – nun forcieren. Denn die Arbeitgeber sind angehalten, ihre Beschäftigten, sofern die Arbeitstätigkeit dies zulässt, von zu Hause arbeiten zu lassen. Auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kurzarbeit ist politisch erleichtert worden. Wären einige Unternehmen zuvor keinesfalls dazu bereit gewesen, Menschen von zu Hause aus arbeiten zu lassen oder Beschäftigte in Kurzarbeit zu schicken (sei es, weil sie unbedingt die rigide, auf grundsätzlichem Misstrauen basierende Kontrolle über ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten wollten, sei es, weil sie Angst hatten, durch den vorübergehenden Wegfall eines Arbeitsplatzes würde auffallen, dass die dahinterliegende Tätigkeit eigentlich für das Unternehmen oder die Organisation in dieser Form gar nicht gebraucht wird, weil sie nicht zur Schaffung eines Mehrwertes oder Nutzens beiträgt), so sind sie in Zeiten der Corona-Pandemie geradezu dazu gezwungen.

Diese Entwicklung könnte einem Dammbruch gleichen: Sofern man merkt, dass viele Tätigkeiten entweder »Bullshit Jobs« (David Graeber), das heißt, im Grunde völlig nutzlos sind oder eben im Home Office Modus erledigt werden können, dann könnte dies dazu führen, dass man sie entweder ganz abschafft oder den Beschäftigten eben dauerhaft die Option einräumt, im Home Office zu arbeiten.

Unter’m Strich: Das Coronavirus ist eine ernstzunehmende Gefahr und erzeugt viel Leid. Gleichwohl könnte es sich für die Wirtschaft und überall, wo Menschen zusammenarbeiten, als Disruption erweisen, die neue, positive Entwicklungen einleitet. Man darf gespannt sein und vor allem für die Zeit nach der Coronakrise vordenken.

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