Vor wenigen Tagen meldete es der Görlitzer Anzeiger: Reichenbach/O.L., das Markersdorf benachbarte Ackerbürgerstädtchen, will nach den Sternen greifen! Demnach soll im früheren Hotel Reichenbacher Hof und in Zoblitz ein Forschungs- und Weiterbildungszentrum entstehen. Unter diesem Dach könnte neben weiteren namhaften Organisationen und Unternehmen das im Aufbau befindliche Deutsche Zentrum für Astrophysik einziehen.
Das ist bemerkenswert und auch für die umliegenden Kommunen interessant. Immerhin: Sollen nicht nur Briefkastenfirmen oder Miniableger entstehen – und danach sieht es schon wegen des relativ großen Hotelgebäudes nicht aus – müssen hier hochqualifizierte Mitarbeiter in Brot und Lohn kommen. Wird Reichenbach/O.L. nun attraktiv für Wissenschaftler und Forscher, werden hier High-Tech-Anlagen errichtet? Darüber kann aktuell viel spekuliert werden.
Dennoch ist der Reichenbacher Ansatz, den man im Görlitzer Anzeiger nachlesen kann, bemerkenswert, zeigt er doch einen Aspekt des Wandels: Für Unternehmen, die man früher nie und nimmer im ländlichen Raum erwartet hätte, ist der Umzug aufs Land zumindest zur realistischen Option geworden. Die Rahmenbedingungen dafür werden immer besser, Ausschlussfaktoren sind auf dem Rückzug. Daran ist das zu erkennen:
- Kommunen im ländlichen Raum suchen teils händeringend nach Nutzern für leerstehende Gewerbeimmobilien. Darüber hinaus verfügen viele Kommunen im ländlichen Raum in Gewerbegebieten über freie Flächen, die – logisch – gewerblich genutzt werden können und müssen.
- In Dörfern und kleinen Städten ist das Bürokratiegetriebe nicht so groß. Außerdem gibt es weniger Reibungsverluste, vieles kann auf kurzem Wege angestoßen und entschieden werden.
- Immer öfter ist eine hervorragende technische Infrastruktur gegeben. Markersdorf etwa erlebt das aktuell durch den geförderten Internet-Breitbandausbau im Landkreis Görlitz. Auch die Verkehrsinfrastruktur ist grundlegend ausgebaut und wird immer wieder weiter verbessert.
- Horrenden Wohnungsmieten und Wohnungsmangel in den Ballungszentren stehen günstiges Wohnen oder Bauen sowie eine intakte Umwelt im ländlichen Raum gegenüber. Das Beispiel Markersdorf steht zudem für eine beeindruckende Kinderfreundlichkeit.
Unterm Strich also stehen im ländlichen Raum die Signale für innovative Unternehmen und Institute auf Grün. Allerdings ist “innovative Unternehmen” ein Schlagwort, das oft genug nicht mit Inhalten gefüllt ist. Was also ist innovativ? Grundsätzlich sind Innovationen realisierte neuartige Ideen. Eine Idee als solche allein kann nicht innovativ sein.
Was ist innovativ?
Innovative Unternehmen entstehen oft dadurch, dass sich eine Firma auf einen Prozess spezialisiert, der normalerweise in einem herkömmlichen Unternehmen angesiedelt ist. Um ein Beispiel zu haben: Ein klassischer Hersteller von Medizintechnik, also von Instrumenten und Geräten, hat eine eigene Entwicklungsabteilung, die vielleicht mit Forschungseinrichtungen und Klinika kooperiert. Ein neuartiger Ansatz wäre es, ein Unternehmen zu gründen, das sich voll und ganz auf Medical Design spezialisiert. Anstelle eine Betriebsabteilung als eine von mehreren zu sein kann sich dadurch die ganze Kraft der Spezialisierung entfalten, anders gesagt: Entscheidungsfreiheit ohne gesamtbetriebliche Zwänge eröffnet neue Möglichkeiten. In der Praxis realisiert ist das dann eine Innovation.
Gefragt sind echte Startups
Wenn es im Zuge des Strukturwandels um neue Unternehmen soll, dann sollten weniger Existenzgründungen im herkömmlichen Sinne im Mittelpunkt stehen. Damit sind Gründungen gemeint, die wenig Arbeitsplatzpotential im eigenen sowie in vernetzten Unternehmen mit sich bringen, hingegen oft in Konkurrenz zu bestehenden Unternehmen gehen. Das ist keine Geringschätzung solcher Gründungsvorhaben, dennoch besteht auch im ländlichen Raum ein Bedarf an Startups, also Unternehmen, die wegen ihrer innovativen Lösungen und ihres Marktpotentials Geldgeber auch im Risikokapitalbereich finden und deutlich mehr Arbeitsplätze erwarten lassen.
Ein wichtiges Kriterium dabei ist die Skalierbarkeit von Unternehmen. Skalierbarkeit bedeutet, Lösungen ohne große weitere Investitionen zu schnellem Wachstum zu bringen. Dafür bieten sich vor allem internetbasierte Geschäftsmodelle an.
Der Autor Thomas Beier ist Unternehmensberater und Medienunternehmer in Markersdorf.