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Ausbildung

“Lehrjahre sind keine Herrenjahre” – das war früher

Für Kinder steht die Berufswelt noch völlig offen, alles ist möglich
Für Kinder steht die Berufswelt noch völlig offen, alles ist möglich

Foto: Jürgen Sieber, Pixabay License

Schon bald beginnt das Ausbildungsjahr 2022/23 und noch immer sind in Sachsen rund 9.400 Ausbildungsplätze unbesetzt – für angehende Azubis wie auch für die ausbildenden Unternehmen ist das eine ungewöhnliche Situation.

Laut MDR Sachsen stehen den freien Ausbildungsplätzen nur knapp 5.600 noch nicht vermittelte Jugendliche gegenüber. Zitiert wird im Beitrag die Arbeitsagentur, wonach es vor kurzem noch beliebte Ausbildungsberufe im kaufmännischen Bereich, in der Technik und in der Elektronik sind, die beim Interesse der Bewerber für einen Ausbildungsplatz offenbar hintanstehen.

Während Schüler es durchaus genießen, bei ihrer Berufsentscheidung umworben zu werden, entstehen für die Unternehmen neue Herausforderungen im Zusammenhang mit der Berufsausbildung. So versucht man sich in bestimmten Branchen, in denen die spöttisch “Lehrlingsrente” genannte Ausbildungsvergütung kaum erhöht werden kann, mit anderen Vorteilen für die Bewerberinnen und Bewerber.

Als Azubi das Werkzeug selbst kaufen?

Eine Möglichkeit ist es, dass der Arbeitgeber in Berufen, in denen sich die Auszubildenden ihr Grundwerkzeug selbst kaufen müssen, die Kosten dafür übernimmt. Beispiele dafür sind der Messchieber – früher Schieblehre genannt – des Werkzeugmachers oder die Scheren und weitere Werkzeuge des Friseurs, die zusammen schon mal 500 Euro kosten – Stand 2016.  Das schafft zwei Probleme: Einerseits werden die wertvollen Sachen vielleicht nicht so pfleglich behandelt, als wenn sie auf eigene Kosten des Azubis angeschafft werden, und andererseits – als Folge davon – kaufen die Arbeitgeber unter Umständen dann weniger hochwertige Ausführungen.

Nachwuchssicherung mit Hürden

Viele mittelständische Unternehmen bieten Ausbildungsplätze an, um sich den eigenen Nachwuchs zu sichern. Hintergrund ist der allgemeine Mangel an Fachleuten. Wer aber Nachwuchs, der woanders ausgebildet wurde, einstellen will, muss oft mit jenen vorliebnehmen, die andere nicht oder nur befristet übernommen haben.

Allerdings geht der Plan mit dem selbstausgebildeten Facharbeiternachwuchs nicht immer auf: So wurde auch im Unternehmerverband Markersdorf beklagt, dass die besten Jungfacharbeiter, in deren Ausbildung Unternehmen viel investiert haben, gern abgeworben werden. Oft erweise sich nach Lehrabschluss die öffentliche Hand als der attraktivere Arbeitgeber, mit Tarifvertrag und ohne Konjunkturschwankungen.

Schaffen mit Herz und Hand? Wie uncool

Ein weiteres Problem ist, dass sich Deutschland deutlich zu einem Land der Studienabsolventen und Senioren entwickelt – mit den eigenen Händen arbeiten wollen immer weniger. Die Ursachen dafür mögen vielfältig sein und reichen oftmals von der Art und Weise der Ausbildung bis hin zum späteren Arbeitsumfeld und den Karrieremöglichkeiten. Auch die Einstellung, Arbeit sei ein notwendiges Übel zum Geldverdienen, trägt nicht gerade zur Freude am Schaffen und der Berufsbildung bei.

So genießen manche Berufsbilder sehr zu Unrecht relativ wenig Ansehen, etwa der Friseur beziehungsweise die Friseurin, obgleich es hier doch um das spannende Tätigkeitsfeld der “Arbeit am Menschen” geht. Als schlecht entlohnt gilt die Branche und manche meinen irrtümlich, die Ausbildung sei wenig anspruchsvoll. Andererseits leistet wohl kaum ein Handwerk so viel für das Selbstwertgefühl seiner Kundinnen und Kunden, wozu die Beschäftigten neben Fachwissen etwa aus Mode und Gesellschaft, aus der Psychologie, der Dermatologie, der Gesundheit insgesamt und der Chemie – etwa wenn sie passende Haarprodukte auswählen und empfehlen – auch möglichst viele praktische Erfahrungen besitzen müssen.

Berufsausbildung weiter aufwerten

Zwar ist der Berufsnachwuchs in vielen Berufen dringend gefragt, doch was hilft es, wenn die Schulabsolventen wenig Interesse zeigen und teils auf schnellen Erfolg verheißende oder gerade im Trend befindliche Alternativen setzen? Andererseits scheuen manche Unternehmen aus ihrer Sicht “überqualifizierte” Beschäftigte. Das widerspricht dem grundsätzlichen Anspruch, dass die Belegschaft gar nicht gut genug qualifiziert sein kann.

Ein mittel- und langfristiger Lösungsansatz könnte jedoch sein, die Berufsausbildung mit Elementen eines Studiums anzureichern, also noch stärker auf Praktika, Auslandsaustausch und Projektarbeit zu setzen, von der ehedem erfolgreichen Berufsausbildung mit Abitur ganz zu schweigen. Wenn die Arbeitswelt immer mehr Flexibilität erfordert, weil sich Anforderungen – teils überraschend – ändern, muss die Ausbildung eine breite Wissensbasis bieten und zusätzlich viel stärker die Fähigkeit zur geistigen Flexibilität entwickeln.

Ein Beitrag der Redaktion markersdorf.de

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