Der Strukturwandel weg von der Braunkohle als Energieträger ist in aller Munde und in den Landkreisen Bautzen und Görlitz, beide gehören komplett zum Lausitzer Revier, schaut man besonders darauf, was in diesem Zusammenhang gefördert wird.
Nun hat der “Regionale Begleitausschuss der Lausitz” (RBA) am 29. Juni 2021 von 40 eingereichten kommunalen Vorhaben 38 bestätigt und damit kritische Fragen provoziert – und das sogar bei den erfolgreichen Antragstellern. Die hatten, wie könnten sie anders, Förderanträge zugunsten ihrer Kommunen gestellt, kritisieren aber zugleich, dass vieles den Erwartungen an den Strukturwandel, der zudem noch nicht einmal genau definiert ist, nicht gerecht wird. Geht es beim Strukturwandel um neue, gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze, die jene aus der Braunkohlewirtschaft ablösen? Oder erreicht der Strukturwandel darüber hinaus eine gesellschaftlichen Dimension?
Losgetreten hat die aktuelle Diskussion wohl die Presse, am 1. Juli 2021 morgens der Görlitzer Anzeiger unter der Überschrift “Das soll der Strukturwandel sein?“, am Nachmittag des gleichen Tages titelte die Lausitzer Rundschau ebenfalls online “Werden Fehler gemacht bei Vergabe von Geld für den Strukturwandel?” und zitierte gleich einen Tag später den Weißwasseraner und den Zittauer Oberbürgermeister mit deren Anmerkungen, die Zweifel an der Vorgehensweise und an der Verwendung der Kohlegelder aufkommen lassen.
Weiche Faktoren vs. harte Fakten
Zwar will der Bund mit dem Kohlegeld gar nicht unmittelbar Arbeitsplätze fördern, sondern die Rahmenbedingungen für Unternehmen, die sogenannten weichen Standortfaktoren – dass das nun aber weitgehend nach dem Wünsch-Dir-was-Prinzip erfolgt, schätzt so mancher als nicht zielführend ein. Es steht die Grundfrage, ob weiche Faktoren harte Fakten – letztendlich Arbeitsplätze – nach sich ziehen, oder ob gute und für weitere Unternehmen attraktive Standortbedingungen die Folge erfolgreicher Wirtschaftstätigkeit vor Ort sind.
Was bei allen Diskussionen und Szenarioentwicklungen – so es sie gibt – gern vergessen wird: Den Strukturwandel stemmen müssen zuallererst die Unternehmen vor Ort. Sie müssen überlegen, welche ihrer Tätigkeitsfelder und Wirtschaftsbeziehungen das Braunkohlezeitalter überleben werden und welche nicht. Und es wird externer Expertise bedürfen, die nicht nur mit Kreativität und Ideen agiert, sondern die strukturierte Entwicklungssysteme anwendet und Erfahrungen einbringt.
Wo bleibt das Change Management?
Die Anpassung von Unternehmen an neue Rahmenbedingungen und die Erschließung neuer und zukunftsrobuster Geschäftsfelder sind ganz wesentliche Elemente der Change Management Beratung, einer Beratung also, die das Organisieren des Wandels und die Führung der Menschen durch die meist als unsicher wahrgenommenen Zeiten der Veränderung in den Mittelpunkt stellt.
Das ist eine Aufgabe, die Unternehmen regelmäßig nicht aus eigener Kraft stemmen können – zu festgefahren sind Gewohnheiten, zu riskant oder gar unnötig erscheint es, das Unternehmen – manchmal radikal – neu auszurichten. Für externe Berater bedeutet das, erst einmal den Willen zum Wandel zu stärken: Wenn Veränderungen unausweichlich sind, dass ist es doch besser, diese mitzugestalten, als sich von ihnen treiben zu lassen und schließlich zum Opfer zu werden.
Veränderungsfähigkeit als Grundqualifikation
Je besser die Unternehmen das Ende der Braunkohle als erfolgreich genutzte Chance meistern, umso attraktiver wird die Region auch für weitere Unternehmensansiedlungen, der nichts zieht Erfolg mehr an als Erfolg selbst. Nicht ohne Grund gehört Veränderungsfähigkeit heute zu den ganz wichtigen Qualifikationen von Organisationen, wie es eben auch Unternehmen sind, und übrigens auch von allen, die in den Unternehmen arbeiten.
Thomas Beier