Leider unterstützt Markersdorf.de die veraltete Version des Internet Explorers nicht mehr und es kommt zu ungewollten Darstellungsproblemen.

Bitte besuchen Sie uns daher mit dem aktuellem Edge Browser von Microsoft oder greifen Sie auf kostenlose Alternativen, wie bspw. Google Chrome oder Firefox zurück.

Vielen Dank für Ihr Verständniss.

Anzeigen

Regional auf markersdorf.de werben! anzeigen@gemeinde-markersdorf.de
Handwerk

Tippelbrüder auf der Walz

Die acht Knöpfe stehen für die acht Stunden des Arbeitstages
Die acht Knöpfe stehen für die acht Stunden des Arbeitstages

Symbolfoto: Jens P. Raak, Pixabay License

Wirtschaftsgeschichte – das wird gern vergessen – ist zu einem großen Teil auch Handwerksgeschichte. Ein Bereich, der noch wenig erforscht ist, sind die Wandergesellen. Hier Informationen zu erlangen, das ist für Außenstehende tatsächlich schwierig. Woran liegt das – und worum geht es überhaupt?

Als Wandergesellen oder Tippelbrüder bezeichnet man jene, die bei einer Berufswahl im Handwerk nach ihrer Lehrzeit – der Freisprechung – auf Wanderschaft gehen, um danach Gesellen zu werden. Oft waren die Wanderjahre die Voraussetzung dafür, einen Meisterbrief erwerben zu können.

Auf Wanderschaft gehen vor allem Zimmerleute, um in anderen Regionen Wissen und Erfahrungen zu erwerben. An Bedeutung gewann das im ausklingenden 18. Jahrhundert, als die Wanderschaft oftmals vorgeschrieben war. Auf Wanderschaft, wie sie auch heute noch gepflegt wird, gehen neben den Zimmerleuten etwa auch Maurer, Schmiede, Dachdecker, Holz- und Steinbildhauer, die Gewerke des Lebensmittelhandwerks, Goldschmiede und Instrumentenbauer, Seiler, Gärtner und Landwirte, um nur einige zu nennen; rund zehn Prozent von ihnen sind Frauen.

Wer sich auf Wanderschaft – die sogenannte Gesellenwanderung – begibt, unterwirft sich strengen Vorschriften und Traditionen. Dazu gehört etwa, sich während der meist zwei bis fünf Jahre dauernden Wanderschaft nicht näher als 50 Kilometer seinem Heimatort zu nähern, ein eigenes Fahrzeug darf man nicht besitzen, bevorzugt ist die Reise zu Fuß oder per Anhalter.  

Ein Wandergeselle im Auto

Das führte zu einer sehr lustigen Begegnung mit einem Wanderburschen aus der Schweiz, der uns in tiefster Nacht auf einem Autobahnrastplatz ansprach und um Mitnahme bat. Weil wir gerade von einer Geschäftsreise nach Wangerooge zurückkamen und reichlich müde waren, machte ich zur Bedingung: “Aber nur, wenn du singst!” Das sei kein Problem, beteuerte er, und wir sangen etliche Autobahnkilometer gemeinsam, denn wir hatten das gleiche Repertoire, nämlich die Lieder des “Zupfgeigenhansl”. Ich war mit einer Ausgabe vom 1913 der Volksliedersammlung aufgewachsen und hatte immer eine diebische Freude daran, die Lieder in den Schulunterricht und später beim Marschgesang während des Grundwehrdienstes als “progressives Volksliedgut” und damit Ersatz für die sozialistischen Standards einzuschmuggeln.

Dennoch: Gegenüber Außenstehenden sind die Wanderburschen meist eher wortkarg, was ihre Vorschriften und Gebräuche betrifft, und Einblick ins Wanderbuch, in dem die Wanderschaft aufgezeichnet wird, erhalten nur Vertraute oder Offizielle.

Trotz Industrialisierung: es geht noch auf die Walz

Unter den Bedingungen der industriellen Produktion, wie sie teils auch ins Handwerk eingezogen ist, ist die Walz schwieriger geworden und dennoch wird sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz hochgehalten, in abgewandelter Form auch in vielen anderen Ländern. Einen Überblick zu zur aktuellen Pflege des Handwerkerbrauchs gibt Tanya Rothe unter der Überschrift “Auf der Walz sein” auf planet-wissen.de.

Reisen als Teil der Unternehmenskultur

Anzeige

Unterstützer der Webseite markersdorf.de:

 

Aber auch außerhalb des Handwerks bildet das berufsbezogene Reisen die Leute und bei manchen Firmen gehört es regelrecht zur Unternehmenskultur, mit einigen Mitarbeitern einmal im Jahr auf Reisen zu gehen. Im Landkreis Görlitz liefert die “Geheime Welt von Turisede”, die frühere Kulturinsel Einsiedel, ein Beispiel dafür: Einmal im Jahr geht es zum “Spinnertreffen”, um in anregender Umgebung neue Ideen zu entwickeln.

Sich von woanders Ideen zu holen oder sich zumindest inspirieren zu lassen, dafür gibt es viele Beispiele. So hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die berühmten schwedischen Hasselblad-Kameras ihre Wurzeln in Görlitz haben: Sein Vater hatte den jungen Viktor Hasselblad nach Dresden geschickt, wo gerade die Fotoindustrie aufblühte. Er kam womöglich mit der Primarflex aus der Görlitzer Kamerafabrik Curt Bentzien in Berührung, jedenfalls sah die spätere Hasselblad-Kamera jener aus Görlitz verdächtig ähnlich.

Ein weiteres Beispiel ist das böhmische Freizeitresort Malevil nahe Oybin im Zittauer Gebirge, dessen Inhaber über viele Monate mit einem Wohn-Lkw in Afrika unterwegs war, eher er begann, seine Ideen erfolgreich umzusetzen. Heute ist die Ranch MALEVIL ein beliebter Golfplatz, der die Prager übers Wochenende anzieht, zugleich Ort für private Feiern und geschäftliche Konferenzen ist, für die auch erlebnisorientierte Programme angeboten werden.

Reisen als Basis für einen Neuanfang

Dass man auch in schwierigen Lebensphasen durch eine längere Reise neuen Mut und neue Ideen schöpfen kann, zeigt nicht zuletzt als abschließendes Beispiel der Gehäusehersteller ROLEC. Nachdem der Ideengeber und Unternehmer gezwungen war, aus dem von ihm aufgebauten Unternehmen auszusteigen, ging er für acht Monate auf eine Reise durch die USA und fuhr dann ein Jahr lang durch Afrika. Ums schnell auf den Punkt zu bringen: Mit einem eigenen Gehäuse-Patent startete er in Deutschland wieder durch und entwickelte die ROLEC Gehäuse-Systeme GmbH zum Global Player

Die Firma, die ihren Sitz in Rinteln an der Weser hat und weltweit vertreten ist, steht in vorbildlicher Weise für die besten Eigenschaften des deutschen Mittelstands: Innovationskraft, Qualitätsprodukte und persönlich-menschliche Mitarbeiterführung.

Resüme

Selbst für gestandene Unternehmer ist es interessant, mal vielleicht für ein-zwei Wochen auf die Walz zu gehen – im Gegensatz zu den Wanderburschen freilich motorisiert oder gleich mit dem Wohnmobil. Man kann sich ja auf Deutschland beschränken, aber öfter, als man glauben sollte, finden sich Unternehmen zu einem Gedankenaustausch bereit: Dümmer wird man nicht.

Mehr:
Die ganze spannende Geschichte des Unternehmens ROLEC Gehäusesysteme ist online verfügbar.

Ein Beitrag von Thomas Beier für markersdorf.de. Als Unternehmer hat er Spaß daran, auf Reisen Unternehmen zu besuchen, oft überraschend. Seine Erfahrung: “Einfacher kann man nicht zu guten Kontakten kommen.”

Verknüpfungen Tippelbrüder auf der Walz

Wirtschaftmehr aus diesem Themenbereich