Wenn die Markersdorfer etwas gut können, dann wirtschaften. Da kommt einiges zusammen, angefangen von tatkräftigen Unternehmerinnen und Unternehmern samst Belegschaften über den örtlichen Unternehmerverband, der längst über die sieben Ortschaften hinausreicht, bis hin zu einer wirtschaftsfreundlichen Verwaltung, der man nur vorhalten kann, dass in die Bürotür des Bürgermeisters überhaupt ein Schloss eingebaut wurde: Sie steht vor allem Investoren stets offen.
Natürlich haben auch die Betriebe am Wirtschaftsstandort Markersdorf ab und an ihre Probleme, doch sie wissen: Probleme wie etwa der Strukturwandel sind die Wurzeln des Fortschritts und überhaupt sollte jedem klar sein, dass Pro-bleme extra für ihn gemacht sind, sonst wären es ja Anti-bleme.
Die Herausforderungen werden nicht alle
Schaut man über Markersdorf hinaus, dann warten hinterm Horizont, wo es bekanntlich immer weitergeht, ganz andere Herausforderungen, Stichwort: Strukturwandel in Folge des Abschieds von der carbonbasierten Industrie, zu gut Deutsch: des Braunkohleausstiegs.
Wenn es nur der Abschied von der Braunkohle allein wäre! Aber nein, auch die Digitalisierung will gestemmt sein und schon ist die Rede von einer Post-Covid-19-Wirtschaft, die unter dem Einfluss einer Art Dauerpandemie neue Regeln erzwingt.
Landleben wird attraktiver
Entgegen der etwas naiven Ansicht, in jeder Krise läge auch eine Chance, bringt der komplexe Wandel Braunkohle-Digitalisierung-Post Covid tatsächlich positive Vorzeichen für den ländlichen Raum: Mit dem Rückzug des stationären Einzelhandels und der Ausbremsung des Kulturangebots werden Innenstädte unattraktiver, hingegen wächst das Interesse an naturnaher und ökologisch gesunder Umgebung im Alltag.
Die Büroflächen in den Städten schrumpfen und dem Homeoffice ist es weitgehend egal, ob es sich in der Stadt oder im Dorf befindet, wobei der Blick aus dem Fenster dann doch eher fürs Dorf spricht. Wie übrigens die Mieten oder die Kosten für Wohneigentum auch. Wer seltener pendeln muss, kann auch weiter rausziehen aufs Land. Was ist dann schon eine Autostunde bis Dresden, wenn man sie nicht täglich hin und zurück unter die Räder nehmen muss?
Wer zieht aufs Land?
Bisherige Initiativen sehen die Welt gern mit Scheuklappen, etwa wenn Ex-Sachsen für die Rückkehr begeistert werden sollen. Das machen übrigens auch andere, ob man nun ins benachbarte Brandenburg oder ins ostwestfälische Höxter schaut. Wer aber zieht zurück in eine Region, die er einst verließ, um sein Glück woanders zu suchen?
Überhaupt: Warum nur ist der Blick auf “Rückkehrer” verengt? Deutschlandweit gibt es etliche Regionen, in denen Leute bereit sind, Wohnortwechsel über weite Entfernungen in Kauf zu nehmen, um beruflich voranzukommen. Spricht man diese an, hat man die Rückkehrwilligen quasi automatisch dabei – und wer nicht zurück will in die alte Heimat, den wird man eh nicht bekehren können.
Aber verfehltes Marketing zeichnet sich auch im größeren Maßstab ab. Für den Strukturwandel weg von der Braunkohl habe die Kohlekommission, zitiert das ifo-Institut (Quelle: www.ifo.de/node/42625) seine Forscherin Karen Pittel, “nur einen kleinen Teil ihres Auftrages erfüllt. Nicht entwickelt worden sei eine Mischung von Instrumenten, die wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Klimaschutz zusammenbringe, wie der Einsetzungsbeschluss der Kommission verlange.”
In Markersdorf stehen die Chancen gar nicht so schlecht, über die Grenzen der Oberlausitz und Sachsens hinaus leistungswillige neue Mitbürgerinnen und Mitbürger zu gewinnen, wenn man die ausgetretenen Marketingpfade, wie sie die allermeisten Wirtschaftsförderungsanstalten zwischen Küste und Alpen entlangstolpern, verlässt. Die enge Kooperation mit den ansässigen Unternehmen und die leichtere Ausweisung von Bauland wären erste Schritte, um mehr Anziehungskraft auf neue Fachleute zu entwickeln oder jene, die woanders Erfahrungen gesammelt haben, doch noch zur Rückkehr zu bewegen.
Junge Leute haben ganz andere Probleme
Spricht man mit jüngeren Leuten über das Thema Rückkehr oder Rückkehrer, liegen Missverständnisse nahe, die dennoch für die moderne Kommunikation sehr aufschlussreich sein können. Da geht es eher darum, jemanden nicht nur zur Rückkehr zu bewegen, sondern überhaupt erst einmal zu erreichen. Es ist noch nicht lange her, als ein junger Mann auf die Frage nach seiner Freundin verzweifelt aufstöhnte: “Meine Ex hat mit blockiert!”
Für die Idee, doch einfach mal zu ihr hinzufahren um zu schauen, was mit ihr ist, gab es einen verständnislosen Blick und die Antwort: “WhatsApp, Instagram, Facebook, nichts geht und wenn ich Anrufe, ist die Mailbox dran.” Die ältere Generation sollte lernen: Ist jemand per Messenger, E-Mail oder notfalls Telefon nicht erreichbar, sind die klassischen Verfahren wie auf den Klingelknopf zu drücken oder Steinchen ans Fenster zu werfen völlig indiskutabel.
Das Beispiel zeigt aber, wo man jüngere Leute abholen kann, wenn man ihnen Perspektiven zu Hause oder in der alten Heimat aufzeigen möchte: Es sind die sozialen Netzwerke des Internets und dort die möglichst persönliche Ansprache. Der Weg, solche Kontakte aufzubauen, ist aufwendig und mühsam, andererseits werden die Streuverluste herkömmlicher Kontakte vermieden.
Heimat behalten – Heimat finden
Heimat ist ein vielfältig belegter und immer wieder arg strapazierter Begriff. Gerade deshalb sollte er – etwa an Schulen – mit jüngeren Leuten diskutiert werden: Was macht Heimat aus, was ist sie wert? Was bedeutet der Verlust von Heimat? Wie kann man – wenn überhaupt – woanders heimisch werden?
Junge Leute müssen hinaus in die Welt, um Erfahrungen zu sammeln. Schön, wenn sie dann zurückkommen. Schön aber auch, wenn andere kommen, im richtigen Maß zwischen eigener Prägung und Anpassung heimisch werden und bleiben. Genau dafür muss in Regionen wie der Oberlausitz, die sich zwar als im Herzen Europas verstehen, aber für Deutschland Randlagen sind, geworben werden.
Ein Beitrag der Redaktion markersdorf.de