Er war ursprünglich Bahnhof der „Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn” an der zweigleisigen Hauptbahn Breslau – Görlitz – Dresden und wurde am 01. September 1847 in Betrieb genommen. Anfangs sollte die Strecke über Friedersdorf geführt werden, aber die Wirtschaftsbesitzer verkauften das nötige Land nicht. Außerdem befürchteten die Landwirte, dass durch das Schnaufen der Dampfloks die Pferde durchgehen. Scheinbar waren die Gersdorfer eisenbahnfreundlicher.
Der Bahnbau war sehr schwierig. Bis zu 800 Mann begannen im Oktober 1845 den Einschnitt im Waldfrieden zu durchstechen. Die abgetragenen Erdmassen wurden zum Auffüllen des Bahn-dammes bis vor die Haltestelle Gersdorf verwendet. Schwerste Arbeiten wurden mit primitiven Arbeitsgeräten für einen kärglichen Lohn verrichtet, bei einer Arbeitszeit von 10 bis 12 Stunden am Tag.
Zu dieser schonungslosen Ausbeutung kam noch eine Missernte im gleichen Jahr: die Kartoffel- und Getreideernte war äußerst schlecht ausgefallen. Wegen der darauf folgenden Teuerung traten die Arbeiter in den Streik.
Die Eisenbahnverwaltung und das Landratsamt setzten Polizei und Militär ein, um den Streik mit aller Gewalt zu beenden und den Bau fertig zu stellen.
Für die nach 1871 einsetzende Entwicklung der Industrie war die regelmäßige Verkehrsverbindung in die benachbarten Städte sehr vorteilhaft.
Der Bahnhof Gersdorf diente dem Personen-, Gepäck- und Expressgutverkehr sowie dem Güterverkehr, wofür ein Ladegleis vorhanden war, was täglich bedient wurde. Für die Abfertigung des Frachtstückgutes wurden neben dem separaten Toilettengebäude auch zwei gedeckte Güterwagenkästen aufgestellt. Im Bahnhofsgebäude befanden sich außer dem Dienstraum noch zwei Warteräume, einer für die Reisenden der 2. Klasse und einer für die 3. Klasse. In den Warteräumen befanden sich Spucknäpfe. Später wurde der Warteraum der 2. Klasse für die Abfertigung und Aufbewahrung von Reisegepäck und Expressgut sowie für das Einstellen von Fahrrädern genutzt, weil der Dienstraum dafür nicht mehr ausreichte. Nach Kriegsende im Mai 1945 war der Zugverkehr zwischen Görlitz und Löbau unterbrochen. Dazu führten die unsinnigen Brückensprengungen in den letzten Kriegstagen. Auch die Gersdorfer Bahnbrücke blieb nicht verschont, ebenso die 3 Gewölbebrücken aus Naturstein über dem Markersdorfer Einschnitt und der Löbauer Viadukt wurde auch gesprengt.
Im Sommer 1945 kam es auch bei uns zum Abbau des 2. Gleises, wie es die Siegermächte beschlossen hatten. Dieser Beschluss wurde aber nur in Ostdeutschland verwirklicht. Nach der Instandsetzung der Brücken begann im Herbst 1945 wieder der nun eingleisige Betrieb. Zunächst zwischen Görlitz und Löbau Ost. An der Bemstädter Straße wurde ein Behelfsbahnhof gebaut. Erst nach dem Wiederaufbau des Viadukts ging der Betrieb durchgehend weiter. 1951 bekam der Bahnhof Gersdorf ein zusätzliches Gleis für Kreuzungen und Überholungen, wodurch der eingleisige Betrieb bedeutend flüssiger wurde. Mit dem Bau des Kreuzungs- und Überholungsgleises mussten sich die Gersdorfer Eisenbahner zum Fahrdienstleiter qualifizieren, dazu gehörte auch das Erlernen des Morsealphabets, was den betagten Kollegen Oswald Mühle und Richard Menzel nicht ganz leicht fiel. Die Reihenfolge der Züge wurde fernschriftlich über Telegrafenapparate mit den benachbarten Bahnhöfen festgelegt. Über die Läutewerke erhielten die Schrankenwärter an der Strecke die Aufforderung zur Schrankenschließung: nach Reichenbach ein Signal und in die Gegenrichtung zwei Signale.
Nach der Einstellung des Güterverkehrs in Gersdorf wurde 1968 das Ladegleis abgebaut. Zu diesem Zeitpunkt begann der etappenweise Wiederaufbau des zweiten Gleises zunächst von Gersdorf bis Zoblitz und 1981 zwischen Gersdorf und Markersdorf. Gleichzeitig wurden die Formsignale durch Lichtsignale ersetzt. Die handbetriebene Vollschranke des Bahnübergangs der Dorfstraße wurde 1995 durch eine „zugbediente automatische” Halbschranke ersetzt, wodurch sich die Schließzeiten erheblich verringerten. Vorher mussten die Straßenbenutzer an der handbetriebenen Vollschranke viel Geduld aufbringen. Seit dem 13.12.1995 ist der Bahnhof Gersdorf unbesetzt und verschlossen. 1997/98 wurden die Bahnsteige auf einer Länge von 250 Metern neu erbaut. Die Installation der Bahnsteigbeleuchtung übernahm die Gersdorfer Elektrofirma M. Bittrich entsprechend der Auftragsaus- schreibung.
Ein ganz besonderer Dank gilt dem langjährigen Bahnhofsvorsteher, Herrn Reiner Hanschmann, für die Bereitstellung der Informationen aus seiner privaten Chronik. Ständige Fahrdienstleiter in Gersdorf waren: Ingrid Spantig mit ca. 40 Dienstjahren, Helmut Richter, der bis auf 50 treue Eisenbahndienstjahre kam und Heinz Nitsche (45 Dienstjahre). Den Bericht möchte ich nicht beenden, ohne Carola Jende zu erwähnen, die uns immer als gewissenhafte Fahrkartenverkäuferin zur Seite stand.
Nitsche